Musik ist Trumpf
Ein Blick hinter die Kulissen
Dienstagmittag, 16 Uhr, Schulhof der Katholischen Martinus-Grundschule Hürth-Fischenich. Die letzten Schüler verlassen die Schule. Bis auf die die ersten Helfer ist der große Schulhof leer. Noch genau 76 Stunden bis zum Beginn des großen Fischenicher Musikfestes, das für die über 120 Helferinnen und Helfern vor und hinter den Kulissen mit Auf- und Abbau insgesamt sechs arbeitsreiche Tage dauern wird.
Nun aber werden als erstes Kühlwagen rangiert, die später, wenn das Festzelt steht, nicht mehr an ihren Platz gefahren werden könnten. Auch der Toilettenwagen steht bereits an Ort und Stelle platziert. Danach setzt der Fahrer des Zeltverleihers seinen Lastzug mit Hänger auf den Schulhof. Schwere Aluminiumstangen werden mit den senkrechten Stützen zu mächtigen Bindern zusammengefügt, dann von vielen Helfern aufgerichtet und mit Querstangen verbunden. Aus großen Säcken ziehen Helfer Planen, die Feld für Feld mit Seilen über den First gezogen werden und das Dach des Festzeltes bilden. Andere verankern bereits die Stützen mit schweren Nägeln im Asphalt. Das 25 Meter breite und 35 Meter lange Zelt wirkt leer noch mächtiger, als es ohnehin schon ist. Ein Blick auf die Uhr: Dank der vielen Helfer steht das große Zelt in gut drei Stunden. Ab jetzt würde Regen den Aufbau nicht mehr stören.
Doch die Zeit drängt. Es ist noch so viel zu tun. Vorangegangen sind viele Gespräche im Vorstand und mit den verschiedenen Arbeitsteams. Transport- und Aufbautermine wurden koordiniert, viele technische Einzelheiten geklärt, Aufgaben zugeteilt. Ist an alles gedacht? Wer besorgt was? Wer fährt noch einmal in den Großhandel, wer zum Baumarkt?
Letzte Details wurden in der Vorwoche in einer Schlussbesprechung mit allen Aktiven und Helfern geklärt. Der Schriftwechsel mit den Musikgruppen, Programm, Erledigungslisten, Pläne, Anträge und Genehmigungen, Versicherungen, Warenbestellungen, Einladungen, Werbung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr füllen Jahr für Jahr dicke Ordner. Schreibkram, den niemand sieht.
Mittwoch. Traktoren rattern durch das Dorf. Gerüstmaterial, Absperrwände, Balken, Bretter und vieles mehr sind herbei zu schaffen. Damit die Bühne auf dem neuen, mit viel Gefälle verlegten Schulhofpflaster waagerecht aufgebaut werden kann, wird zunächst eine massive Unterkonstruktion aus unterschiedlich dicken Balken montiert. Dann erst können die Bühnenelemente der 6 x 10 Meter großen Bühne aufgesetzt werden.
Die Ton- und Lichttechniker montieren ihre Aluminiumgerüste und Traversen und befestigen daran Scheinwerfer und Lautsprecher. Seitlich am Zelt wird der Boden für die Grillstube verlegt. Gelächter schallt über den Platz: Vielleicht über einen spontanen Witz oder Schadenfreude über ein Missgeschick eines Dritten. Die Elektriker, die schon vorher Leuchten, Kabel und Anschlüsse kontrolliert und steckerfertig gemacht haben, haben bereits mehrere Stromverteilerkästen angeschlossen und an vielen Stellen nach Plan Licht installiert. Für heute ist Feierabend.
Die technische Gesamtleitung, das Timing der Transporte, die Reihenfolge der Aufbauarbeiten sowie den Überblick im Großen und im Detail hat der Ingenieur Manfred Schüller, den glücklicherweise kaum etwas aus der Ruhe bringen kann. Nahezu generalstabsmäßig geplant ist auch die Verpflegung der zahlreichen Helfer beim Auf- und Abbau.
Donnerstag. Jetzt werden die runden Bierpavillons geholt und ebenso wie die Kellnertheke aufgestellt. Dann werden die Theken an Strom, Wasser und Abwasser angeschlossen. Auch die Regiekanzel, von der aus später Licht und Ton gesteuert werden, wird aufgestellt. Zwei Gabelstapler und große Fahrgerüste erleichtern den vielen Helfern die Arbeit. Der Zugang zum Toilettenwagen wird überdacht. Die neue Plane, die den Hintergrund der Bühne bildet, ist bereits montiert. Die Grillstube braucht Wasser, Strom und eine Absaugvorrichtung. Experten sind gefragt: Gerüstbauer, Schlosser, Schreiner, Elektriker, Anstreicher, Dekorateure – kurzum Leute, die anpacken und sorgfältig arbeiten können.
Freitagmorgens geht es schon früh wieder los. In wenigen Stunden soll sich der Platz aus einer Gemengelage aus Fahrzeugen, Menschen und Materialien in einen gemütlichen Festplatz verwandeln. Mit inzwischen über 100 Helfern läuft nun wie in jedem Jahr ein Wettlauf gegen die Uhr. Pünktlich um 19.00 Uhr soll das Musikfest starten. Bis dahin sind wir nie fertig.
Während die Bühne dekoriert wird, werden tausend weitere Dinge herangeschafft: Installationsmaterial, Tische, Bänke, Stühle, Stehtische und Fahnen, jede Menge Kram für die Grillstube, darunter Bratofen, Pfannen, Profi-Geschirrspülmaschine, außerdem die Steuerpulte für die Licht- und Tontechnik, Absperrbaken, Halteverbotsschilder, Reserviertschilder, Bons, Namensschildchen, Essmarken, und so weiter und so weiter. Die Bierpavillions werden dekoriert, große Werbetafeln mit Anzeigen der Sponsoren an der Zeltinnenseite neben dem Eingang angebracht.
Mittags sieht der Schulhof immer noch reichlich wüst aus. Aber der Schein trügt. Schon am Vortag wurden bereits die Kühltheken angeschlossen und mit Cola, Limo, Wasser und O-Saft gefüllt, damit auch die nichtalkoholischen Getränke bei Festbeginn schon die richtige Temperatur haben. Tische und Bänke dürfen erst fast zum Schluss aufgestellt und abgewischt werden. Vorher würden sie die Elektriker, Dekorateure, Licht- und Tontechniker nur bei der Arbeit stören.
Noch sechs Stunden. Allmählich wird ein Team nach dem anderen fertig. Alle Theken und die Grillstube haben Wasseranschluss, auch die Abwasserleitungen sind installiert. Die Theken und Vortheken sind abgewaschen, alle 4.000 Kölschgläser gespült. Plakate und Preislisten hängen, alles ist blank “gewienert”, die Bonkassen eingerichtet. Unter dem großen Zelt sind die Lampen und Wimpelketten montiert, auch die Tische und Bänke wurden inzwischen aufgestellt und nass abgewischt.
Auf der großen Bühne stehen schon die Mikrofone und Notenständer, Instrumente und Schlagzeug werden aufgebaut, Noten verteilt. Musik vom Band schallt über den Schulhof; der Soundcheck läuft. Ein Duft von Grillbraten und Bratwurst wabert durch das Zelt verbreitet den typischen Geruch von Kölsch und Bratwurst. Prächtige Blumengestecke schmücken die Bühne, Transparente überspannen die Straßen, weisen den Weg zum Festplatz am Druvendriesch. Fahnen flattern an den Eingängen zum Festplatz.
Die Gabelstapler, die Fahrgerüste und die Leitern werden weggestellt, nicht benötigtes Gerüstmaterial, Balken und Bretter sowie Werkzeug eingesammelt, das Zelt gefegt. Wer von den vielen Festgästen kann sich später vorstellen, wie viele Arbeitsstunden bis jetzt schon zusammengekommen sind?
Den Letzten beißen die Hunde. Die Elektriker schuften mal wieder bis zur letzten Minute. Hier fehlt noch eine Lampe, dort gilt es, schnell noch eine Störung zu beseitigen. Eben werden Scheinwerferbatterien und Verfolger ausprobiert, die die Bühne abends in farbiges Licht tauchen und tolle Lichteffekte auf den Hintergrund zaubern.
Die ersten Aktiven und Helfer sind bereits umgezogen: Der Zapfdienst zünftig mit Lederschürze, die Bedienungen in adretten weißen Schürzen, die Helfer in der Grillstube und an den Bonkassen. Immer noch wird an einigen Stellen gearbeitet, halten letzte Kleinigkeiten auf. Doch nun ist Schluss. Ab nach Hause unter die Dusche und zurück zum Festplatz.
Inzwischen sind schon die ersten Gäste eingetroffen. Langsam füllt sich das Festzelt. Pünktlich um 20 Uhr ertönt auf der Bühne der erste Song. Das Musikfest hat begonnen. Noch viele, viele Liter Kölsch und noch mehr Musikgruppen und Lieder werden folgen. Jetzt läuft die zweite, die heiße Phase. Für die Festbesucher ist Stimmung, für die Akteure vor und hinter den Kulissen Arbeit angesagt. Und das drei Tage lang.
In der Nacht von Sonntag auf Montag, kaum dass die letzten Gäste gegangen sind, werden schon Tische und Bänke abgewischt und aufgeladen. Viele Helfer haben sich montags extra Urlaub genommen. Es dauert fast einen ganzen Tag, bis wieder alles abmontiert und weggefahren und an Ort und Stelle verstaut ist. Trotzdem: Abbauen geht schneller als aufbauen. Die Stimmung ist gut. Überall wird gelacht. Das Zelt ist flott abgebaut. Zum guten Schluss wird der Schulhof mit einem Feuerwehrschlauch abgespritzt und gekehrt. Die Helfer treffen sich auf der Treppe vor dem AWO-Pavillon. Dort gibt es heiße Pizza und kaltes Kölsch. In dieser fröhlichen Runde tut die traditionelle erste Manöverkritik nicht weh.
Zum guten Schluss ein Rundgang mit dem Schulhausmeister: Alles in Ordnung. Nichts erinnert mehr daran, dass hier zahlreiche Gäste drei Tage lang viele schöne Stunden erlebt und sich prächtig amüsiert haben. Die Helden jedoch sind müde. Erschöpft und stolz, zerschlagen und zufrieden, kaputt und glücklich zugleich. Mein Gott. Was für ein Fest!