Karnevalistischer Spaziergang über den Kölner Friedhof Melaten

Unter dem Motto „Un deit d’r Herrjott mich ens rofe“ stand die alles andere als staub­trockene, sondern sehr informative Führung über den Kölner Promi­nen­ten­friedhof Melaten, dem mittelalterlichen Siechenhof und Hinrichtungsstätte, mit dem Karnevals­philosophen Wolfgang Oelsner, der sich schon sein Leben lang mit dem Kölsche Fasteleer beschäftigt. Diese Führung, eine Veranstaltung des Blasorchesters mit Musikern und Familienangehörigen und organisiert von Michael Krips (Melaten) und Karin Peters (Brauhaus Töller) vorbei an vielen Promi­nenten des Kölner Karnevals, war gleichzeitig ein sehr kurzweiliger Streifzug durch die Ge­schichte des Kölner Karnevals und die Philosophie dieses großen Volksfestes und seinen unzähligen Liedern. In vielen Texten steht kurz und knapp auf den Punkt gebracht manches, was die Menschen nicht nur im Karneval bewegt und beschäftigt. Dabei ist Oelsner ein Vertreter der leisen, manchmal heiteren und manchmal auch eher besinnlichen  Lieder, jenseits der lauten Stimmungspfade.

Das Lied “Die Cölner Melodie”, getextet von Christian Samuel Schier, dem ersten Literaten der Fastelovendsgeschichte und „Hofpoeten des Held Karnevals“, brachte uns Herr Oelsner an Schiers Grabstätte zu Gehör. Für eine kleine Handorgel hatte er eigens die Noten in Lochstreifen umsetzen lassen und sang dazu diesen ersten Kölner „Fastelovends-Hit“.

Oelsner’s Karnevalsphilosophie drückt die 4. Strophe des Gedichtes „Der Mummen­schanz“ von Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832) ganz gut aus. Dieses Gedicht schrieb der Dichterfürst anlässlich der Fastnacht 1825, also nur drei Jahre nach der Gründung des Festkomitees Kölner Karneval:

Löblich wird ein tolles Streben,
wenn es kurz ist und mit Sinn;
Heiterkeit zum Erdeleben
Sei dem flüchtigen Rausch Gewinn.

Goethe meint damit, so Oelsner, das bunte und närrische Karnevalsfest sollte nicht über­trieben werden und, bitteschön, am Aschermittwoch auch wieder vorbei sein. Der spielerische Rollentausch, heute stolzer Gardist und morgen alberner Clown, sei ein zeitlich begrenztes Spiel auf einer närrischen Probebühne.

Der Weg über Melaten führte zum Grab des Volkdichters und Komponisten Joseph Roesberg (1824 – 1874), der das Lied des Ossendorfer Mädchen „Schnüsse Tring“ geschrieben hat, vorbei am Grab des langjährigen Festkomiteepräsidenten Hans-Horst Engels (1934 – 2007) und dem Grab von August Schnorrenberg (1889 – 1973), dem wir unter anderem das Lied  „Am Dom zo Kölle, zo Kölle am Rhing“ verdanken. Er schrieb dieses Lied, als 1948 erstmals wieder die Glocken im Kölner Dom läuteten und den Menschen in der total zerbombten Stadt Mut und Zuversicht gaben.

Dr. Gerhard Jussenhoven (1911- 2006) schrieb nicht nur „Man müsste noch mal 20 sein“. Viele seine über tausend Melodien sang Willy Schneider. Jupp Schlösser textete viele Melo­dien auf kölsch und sang diese dann auch. Seine bekanntesten Lieder sind „Kornblumenblau“ (1937),„Gib acht auf den Jahrgang“ (1938), „Die Hüsjer bunt om Aldermaat“ (1938) sowie „Dat Glocke­spill vum Roothuusturm“ (1954).

Eine wichtige Rolle in der Geschichte des Kölner Karnevals schrieb auch Mathias Joseph De Noel (1782 – 1849), ein deutscher Kaufmann, Maler, Kunstsammler und Schriftsteller, der sich bei der Erneuerung des Kölner Karnevals sehr große Verdienste erworben hat.

Führung für das Blasorchester nebst Anhang über den Friedhof Melaten mit dem Karnevalsphilosphen Wolfgang Oelsner

Ein schlichter Stein schmückt das Grab von Willi Ostermann (1875 – 1936), dem wir die schönsten Karnevals- und Milieu-Lieder verdanken. Ostermann konnte weder Noten lesen noch schreiben. Der Vorsitzende einer Kölner Karnevalsgesellschaft entdeckte ihn und regte ihn an, einen Karnevalsschlager zu schreiben. Das Ergebnis war das Lied „Däm Schmitz sing Frau eß durchgebrannt“, zu dem Ostermann Text und Melodie schuf und das der Rosen­montags­erfolg 1907 wurde. Im Jahr 1908 gewann Oster­mann den Preis für das beste Lied in Kölner Mundart mit „Wä hätt dat vun d’r Tant gedaach!“, zu dem der Schlagerkomponist und Kapellmeister Emil Palm die Musik bei­gesteuert hatte. Palm war es, der viele Ostermann-Kom­positionen in Noten übertrug. 1911 heiratete Ostermann dessen Schwester, die Revue­tänzerin Käte Palm. In den Folge-jahren setzte er den begonnenen Erfolg fort. Er schrieb und komponierte zahlreiche Lieder und Karnevals­schlager, verlegte sie selbst und konnte damit seinen Lebens­unterhalt bestreiten.

Seine schönsten und bekanntesten Lieder (Auswahl): Am dude Jüd, Dä Klein dä muß ene Nüggel hann! (Jo, wat hät hä dann?) (1928), Da wo die sieben Berge (1930), Däm Schmitz sing Frau eß durchgebrannt!, Denn einmal nur im Jahr ist Karneval, Die Höhnerfarm vum Zilla!, Die Mösch, Einmal am Rhein (1931), Et Düxer Schötzefäß, Et Stina muß ‘ne Mann han!, Heimweh nach Köln, Kinddauf-Fäß unger Krahnebäume, Kölsche Mädcher künne bütze…, Künnte mer nit e Milliönche han, Kut erop! Kut erop! Kut erop!, Ober! Schnell noch eine Runde her! (1928), Och, dann freut sich die Mama!, Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia, Rheinische Lieder, schöne Frau’n beim Wein (1928), Rheinlandmädel (1927), Rötsch mer jet, Angenies, Villa Billa (Jetz hät dat Schmitze Billa), Wenn du eine Schwiegermutter hast! (1928), Wer hätt dat vun der Tant gedaach!, Woröm solle mir ald en de Heija gonn.

Der schlichte Grabstein von Köln’s größtem Heimat- und Karnevalsdichter und Sänger, Willi Ostermann (1875 – 1936)

Sein letztes Gastspiel gab Ostermann im Juli 1936 in Bad Neuenahr, wo er auf der Bühne im Kurhaus einen Zusammenbruch erlitt und direkt danach in die Kölner Klinik Lindenburg eingeliefert wurde. Nach einer Magenoperation lag er bis zu seinem Tod in der Lindenburg und schrieb dort sein letztes Lied “Heimweh nach Köln”. Am 6. August 1936 starb Ostermann im Krankenhaus. Bei seiner Beisetzung am 10. August säumten Zehntausende den Trauerzug vom Neumarkt bis zum Friedhof Melaten. In einem der Nachrufe am offenen Grab trug sein Freund, der Karnevalist Thomas Liessem zum ersten Mal den Refrain des Ostermann-Liedes vor. Es sollte nach seinem Tod zu einem seiner bekanntesten, typisch melancholisch-kölschen Stimmungsliedern werden:

Wenn ich su an ming Heimat denke un sin d’r Dom su vör mir ston,
mööch ich direk op heim an schwenke,ich mööch zo Foß no Kölle gon.

Der Weg über Melaten führte die Gruppe aus Fischenich weiter zu bekannten Musikern: Kapellmeister Christian Reuter (1899 – 1970),  Charlie Niedeck und Willy Schweden vom Eilemann-Trio, und Jupp Schlösser (1914 – 2009), Bäcker, Straßenbahnfahrer, rheinischer Liedertexter und Krätzjen­sänger. Schlösser schrieb viele seiner Songs zusammen mit Jussenhoven oder Jupp Schmitz. Mehr als 50 Lieder in kölscher Mundart schufen beide zusammen, darunter so bekannte wie „Die Hüsjer bunt om Aldermaat“.

Viel zu erzählen wusste Wolfgang Oelsner auch zum Denkmal von Johann Christoph Winter (1772 – 1862), dem Begründer des Kölner Hänneschentheaters. Er fand seine letzte Ruhe auf einer Ecke des Armenfriedhofes auf Melaten. Oelsner und Freunde sorgten dafür, dass Winter einen schönen Grabstein mit Figuren aus dem Theater erhielt und nun schelmisch in Richtung Millionäresallee blicken kann.

„Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ ist das bekannteste Lied von Jupp Schmitz (1901 – 1991), deutscher Unterhaltungskünstler, studierter Pianist, Schlager- und Krätzchensänger. Zu seinen bekann­testen Liedern gehören weiterhin „Wer soll das bezahlen“ und „Es ist noch Suppe da“ oder „Es war im Zillertal“. Mit dem Lied „Der Hirtenknabe von St. Kathrein“ landete er dagegen einen vielbeachteten Flop.

Auf dem Rundgang durfte auch der kölsche Jung, ebenso begnadeter wie frivoler Büttenredner und Krätzensänger Horst Muys (1925 – 1970) nicht fehlen. Trotz seines turbulenten Lebens, geprägt durch Spielschulden, Schlägereien und Alkoholmißbrauch, liebten ihn die Kölner. Nur einen Tag nach dem frühen Tod eines seiner Söhne sang er für eine Schallplattenaufnahme das Lied, welches ihm wie auf den Leib geschneidert war: “Ich ben ne kölsche Jung”. Mit Lotti Krekel sang der Lied “Ne Besuch em Zoo”. Das Lied von Hans Knipp wollte damals niemand singen, bis auf Horst Muys: “Ich han in mingem Levve schon su vell Dress gesunge…”.

Mit dem Besuch des Grabes von Jupp Schmitz, der Mann am Klavier mit dem großen Schnäuzer, endete die zweieinhalbstündige, sehr kurzweilige und sehr informative Führung über das karnevalistische Melaten mit Wolfgang Oelsner, dem Leiter der Schule in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität zu Köln und nebenberuflicher Kinder­analytiker, Autor zahlreicher Bücher und Fachbeiträge. Das Honorar für diese Führung stiftet Oelsner übrigens auch diesmal wieder für die Erhaltung von Grabstätten bekannter Karnevalisten, die nach Ablauf der Ruhefristen zu verschwinden drohen.

Der Nachmittag endete stilecht und gemütlich im Haus Töller, ein Gasthaus im traditionellen Brauhausstil. Das Haus ist bekannt für seine sehr leckeren Hämchen. Der Betrieb wurde im Jahr 1871 von Theodor Töller in einem seit dem 14. Jahrhundert belegten Gebäude gegründet. Nach Schließung der Brauerei im Jahre 1881 wurde das Haus ausschließlich als Ausschank und Gasthaus bewirtschaftet. Das Haus Töller behielt in Einrichtung und Raumaufteilung weitgehend seinen Originalzustand.

Ein Kommentar

  • Von hubertine meyer, 30. Januar 2013 @ 18:29

    ich bin begeistert von dieser seite, die ich durch zufall entdeckte als ich nach dem dem karnevals schlager auf die` bäume ihr affen der wald wird gefegt gesucht habe.
    war sehr interissant.mit freundlichen grüßen hubertine meyer

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